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Hier blühen die Gärten voller Leben, dort gleicht die karge Landschaft der eines fremden Planeten – sieht man die Orte nebeneinander, ist es schwer vorstellbar, dass der Bibelgarten Twist, das Moormuseum und das Dalum-Wietmarscher Moor nur knapp zehn Kilometer auseinander liegen: eine Tour voller Kontraste.

Ein bisschen komisch kamen wir uns schon vor, einfach in einen Garten hinein zu spazieren. Aber nun stehen wir hier, mittendrin vor einem großen Mohnblumen-Beet und betrachten die knittrigen roten Blüten. Silke kommt aus dem Haus und geht auf uns zu, nicht, um uns zu verscheuchen, sondern um uns zu begrüßen. Fremde sind in ihrem Garten, dem Bibelgarten Twist, stets willkommen. 

„Die Kirche allein reichte nicht mehr als Anziehungspunkt, wir mussten einen anderen Weg finden, um die Gemeinde Twist zu empfangen“, erzählt Dr. Silke Hirndorf. Die Biologin lebt mit ihrem Mann, dem Pastor, und drei ihrer vier Kinder im angrenzenden Pfarrhaus und hat unter anderem eine Gartenbaufirma. Der Bibelgarten ist eines ihrer Werke, sie kennt ihn also in- und auswendig.

Davon profitieren auch wir, die nun schon ein bisschen weniger fremd sind und zu einer Tasse Kaffee in die kleine Gartenlounge eingeladen wurden. Meine Freundin Judith hat vor einigen Jahren schon mal an einer von Silkes Führungen teilgenommen und mich zu einem Ausflug eingeladen. Als Silke uns anbietet, gemeinsam durch den Garten zu spazieren, nehmen wir begeistert an.

Vier Gärten für eine Kirche

Vor allem im Sommer ist ein Besuch ein Fest der Sinne. Der Garten summt vor Insekten, ist bunt und duftet ganz wunderbar. Im Garten des Nazareners, einem Garten, in dem unter anderen Bibel- und Symbolpflanzen wachsen, steuert Silke zielsicher auf einen dicht verzweigten Strauch mit hellgrünen Blättern zu und zupft eines davon ab. „Das ist eine Zistrose“, erklärt die Biologin und hält uns das Blatt entgegen „aus ihnen wird Labdanum, ein öliges Harz gewonnen, das für die Hautpflege und die Parfümherstellung genutzt wird.“ In Käthes Bauerngarten – dem Garten, der nach Katharina von Bora, Luthers Ehefrau, benannt wurde – bleiben wir lange vor den Pfingstrosen stehen. „Bereits die Perser haben die Pfingstrosen in ihren Gärten gepflanzt, aber nicht als reine Zierpflanze“, erzählt Silke und pflückt einen Fruchtknoten aus dem Pfingstrosenbusch. „Sobald die Samen innen reif waren, haben sie diese geerntet und mit einem Mörser zerstampft. Die Samen sind leicht giftig und die Paste soll gegen Stottern geholfen haben.“

Dr. Hirndorf strahlt, wenn sie spricht. Voller Energie läuft sie durch die Gärten, zupft hier und da Blätter ab und begrüßt jede frische Knospe wie einen guten Freund.

„Die Perser waren die ersten, die zwischen Euphrat und Tigris Pflanzen gezüchtet haben, sie haben mit der Gartenkultur begonnen. Sogar die ersten Zuchtformen des Apfels kommen von ihnen“, erzählt sie und verweist mit einem Kopfnicken auf die Arche des Obstes, eine kleine Wiese voller Obstbäume, auf der neben Apfelbäumen auch Marillen wachsen.

Auch wenn Silke nicht da ist, kann man die Gärten besichtigen und eine ganze Menge  über die Pflanzen lernen. Neben jedem Gewächs steckt nämlich ein weißes Schild mit QR-Code, der auf die Bibelgarten-App weiterleitet.

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Das Moor, der stille Begleiter

Vor dem Eingang zu einem angrenzenden Waldstück steht eine große dreieckige Holztafel mit Schaubildern und Zeichnungen. Die Infotafel gehört zum Moor-Energie-Erlebnispfad und beschreibt die Geschichte des Waldes und die Entstehung des Hochmoors. Warum die Tafel gerade hier steht? Die Gemeinde Twist liegt mitten im Naturpark Moor-Veenland, auch wenn das hier landschaftlich nicht so offensichtlich ist wie andernorts.

Schaut man genau hin, kann man es jedoch spüren und sehen. Der Waldboden etwa ist ganz weich und auch der Weg, der durch den Garten des Nazareners führt, hat sich mit den Jahren leicht abgesenkt.  

Um mehr über das Moor zu erfahren, beschließen wir, das Moormuseum in Geeste zu besuchen. Es gilt als das führende Moormuseum Europas und liegt nur knapp 20 Fahrradminuten entfernt. Silke, die selbst lange dort gearbeitet hat und noch eine ganze Menge darüber erzählen kann, bietet uns spontan an mitzukommen, was wir gerne annehmen. Auf ihren Tipp hin legen wir, bevor wir das 30 Hektar große Gelände erkunden, zuerst einen Stopp im Museums-Café ein. Dort bestellen wir uns leicht nussig schmeckende Buchweizenpfannkuchen mit Speck, Preiselbeermarmelade und Apfelmus, und Bratwürste vom Bunten Bentheimer Schwein. Alles regional, sehr regional sogar: Die Bentheimer Schweine sind auf dem Museumsgelände aufgewachsen. 

Gestärkt betreten wir die Eingangshalle des Museums. In dem modernen, barrierefreien Gebäude aus Glas und Stein werden die Besiedlung des emsländischen Moores, die schwierigen Lebensbedingungen und der Torfabbau im Rahmen einer großen Dauerausstellung thematisiert. Spaziert man durch den Bau, gelangt man auf das weitläufige Museumsgelände. Das kann man zu Fuß auf Rasen- und Bohlenwegen erkunden oder mit der schwarzen Mooreisenbahn, die die wichtigsten Punkte abfährt.

Aussteigen lohnt sich

„Jeder hat so seine Lieblingsorte“, erzählt Silke, als wir auf dem Holzsteg entlang zu den roten eingerahmten Infotafeln schlendern, „meiner ist hier bei den zwei Kumpels.“ Sie klopft der gebeugten Statue auf den Rücken, die am Infopunkt steht. An den Statuen könne man wunderbar erklären, wie das Arbeiten im Moor so war: ziemlich anstrengend! Den ganzen Tag standen die Männer gebückt da und stachen vier Kilo schwere Torfsoden aus dem Boden. Die Aufgabe der Frauen, die ebenfalls mit im Moor arbeiteten, war es, die Blöcke aufeinander zu stapeln und während des Trocknens zu wenden. Da die Eltern die Kinder nicht ständig im Auge behalten konnten, wurden sie mit Seilen angebunden. „Wie Ziegen“, meint Silke, „aber immerhin sind sie so nicht im Moor versunken.“

Auf dem Bohlenweg spazieren wir durch das Moorgelände. Links steht ein eingefallener Viehstall, der von Farnen umwuchert wird, rechts liegt ein weites rötlich schimmerndes Feld, das lose von kleinen Pflänzchen bewachsen wird. Silke erklärt, dass dies Buchweizen ist. An den Minigewächsen hängen kleine Nüsschen, aus denen Mehl zum Beispiel für Pfannkuchen gewonnen wurde. 

Hinter einer Kurve sieht das Moor ganz anders aus. Ein Wassergraben durchzieht die grüne Landschaft, am Ufer wachsen beige-grüne langstielige Gräser, kräftig grünes Torfmoos bildet kleine Teppiche auf dem dunkelblauen Wasser und hier und da setzt ein pinkfarbener Fingerhut Akzente. 

Wie das Emsland entstanden ist

Die Region Emsland hatte ihre Startschwierigkeiten, was damit zu tun hatte, dass hier einst das weitläufigste Hochmoor Mitteleuropas lag, das Bourtanger Moor. Die letzte Eiszeit hinterließ im norddeutschen Tiefland weite Wasserflächen, sandige Böden und eine spärliche Vegetation, auf denen sich nach und nach das riesige Moor bildete. 

Trotz Bemühungen in den vorangegangenen Jahrhunderten gelang es den Menschen erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, das Moor durch Entwässerung und Abtorfung urbar zu machen. Unter anderem durch das „Mammut“, einem 28 Tonnen schweren, grau-blauen Stahlkoloss, der heute in der zweiten Ausstellungshalle des Museums zu sehen ist. Der Kipp-Pflug wurde damals zwischen zwei weit voneinander entfernten Lokomobilen – mächtige Dampfmaschinen, die wie Lokomotiven mit Reifen aussehen –  gespannt und Bahn für Bahn über das Moor gezogen. Dabei wurde das Moor umgegraben, der Boden anschließend aufgedüngt, aufgekalkt und schließlich wurden Kartoffeln darin angepflanzt.

Vogelgezwitscher und kindliches Glück

Bevor es zum letzten Punkt des Tages geht, besuchen wir den Siedlerhof des Moormuseums. Dieser Ort ist besonders für Kinder spannend, da dort vor dem Aussterben bedrohte Nutztierrassen wie das Bunte Bentheimer Schwein und die Westfälischen Totlegerhühner gezüchtet werden. 

Das Highlight: Die Schweinedame des Hofs hat vor drei Wochen Ferkel geworfen. Die schwarz auf weiß gepunkteten Minischweinchen jagen sich gegenseitig durch das Außengehege, suhlen sich im Matsch und drücken uns neugierig ihre rosafarbenen Schnäuzchen entgegen. Wie lange wir verzückt vor dem Holzzaun saßen, können wir im Nachhinein nicht mehr sagen. Aber die verzauberte Freude, an die man sich entfernt aus Kindertagen erinnern kann, klingt noch lange nach.

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Gegensätze 

Der Pfad in das Dalum-Wietmarscher Moor führt durch einen jungen Birkenwald. Blumen und Buchweizen wachsen am Wegesrand, rechts und links verlaufen kleine Wassergräben. Als der Wald endet, gibt er den Blick auf eine dunkle, karge Landschaft frei, in deren Mitte sich ein Aussichtshügel erhebt.

Von diesem sieht man, was man auf der Ebene nicht sehen konnte: Neben dem Wald erstreckt sich ein erhöhtes Stück Land, das fast vollständig von Wasser bedeckt und mit Wollgräsern, Büschen und kleinen Bäumen übersät ist. „Das ist intaktes Moor. So sah es ursprünglich überall aus,“ erklärt Silke, “diese Fläche wurde damals vom Bund gekauft und nicht abgetorft.“

Die Gegensätze sind beachtlich, nicht nur im Höhenunterschied – das Moor ist gut zwei Meter höher als der Rest – sondern auch in der Landschaft: Hier ist sie lebendig, blau und grün, da mehrheitlich braun mit vielen dunklen Wasserflächen und spärlicher Vegetation. 

Die abgetorfte Landschaft werde bewusst karg gehalten, erzählt die Biologin. Schafe und Ziegen beweiden die Fläche, die auch ein EU-Vogelschutzgebiet ist. Gefährdete Arten wie der Rotschenkel, der Goldregenpfeifer und alle möglichen Kehlchen, wie Braun- und Schwarzkehlchen, seien hier zu finden. Sie überwintern und brüten hier und bevorzugen dafür ein übersichtliches Gelände.

Ganz in ihrem Element steigt Silke den Aussichtshügel hinab und zum Moor hinauf, stellt sich an den Rand des Wassers und zieht eine Handvoll der teppichartigen hellgrünen Pflanzen hinaus. „Das ist Torfmoos. Aus dieser maximal 15 Zentimeter langen Pflanze ist die bis zu acht Meter hohe Torfschicht entstanden. Sie wächst auf dem Wasser schwimmend heran, stirbt an der Wurzel ab, die dann absinkt und die nächste Schicht bildet.“ Wie einen Schwamm drückt sie das Moos aus. „Die Pflanze nimmt das 25-30 Fache des eigenen Gewichtes an Wasser auf. Das schafft sie durch ihren speziellen Bau. Würde ich die verdampfen, würde weniger Feststoff übrig bleiben, als wenn ich das gleiche mit Milch mache.“ Strahlend blickt sie uns an, nach all den Jahren immer noch fasziniert vom Moor und seinen vielen Facetten.

Titelbild: Das Emsland Moormuseum in Geeste © TMN / Sabine Braun

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